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Museumshäppli: Kleine Hände in der Fabrik. Kinderarbeit in der Ostschweiz des 19. Jahrhunderts

In Ostschweizer Bauern- und Heimarbeiterfamilien ist es bereits in vorindustrieller Zeit üblich, Kinder für Haus- und Hof-Arbeiten einzuspannen. Mit der aufkommenden Industrialisierung nimmt die Kinderarbeit aber neue Dimensionen an: Die jungen Arbeitskräfte werden fortan in Fabriken eingesetzt, wo die Maschine den Arbeitsrhythmus bestimmt. Die Arbeitszeit dehnt sich auf bis zu 19 Stunden aus, die Kinder sind der Herrschaft des Fabrikanten unterstellt.

Ab dem 18. Jahrhundert boomt in der Ostschweiz die Textilindustrie. Bis in die 1870er-Jahre besteht rund die Hälfte der Belegschaft in den Baumwollfabriken aus Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Am Museumshäppli vom Donnerstag, 27. September 2018, um 12.30 Uhr im Schloss Frauenfeld thematisiert Prof. Dr. Max Lemmenmeier die harte und entbehrungsvolle Existenz dieser Kinder und wirft gleichzeitig einen Blick auf die kontroversen Diskussionen, die dieses Thema auf politisch-gesellschaftlicher Ebene auslöst.

Akkordarbeit und Strafe

Die Knaben und Mädchen beginnen ihre Fabriklaufbahn im Alter von acht bis zehn Jahren. Als sogenannte Aufsetzer erneuern sie an den Feinspinnmaschinen die Vorgarnspulen, nehmen die vollen Garnkörper ab und helfen bei Putzarbeiten. Als Ansetzer verknüpfen sie die während des Spinnprozesses gerissenen Fäden. Da der Spinner im Akkord arbeitet, fordert er vom Auf- und Ansetzer unter Androhung von harschen Strafen eine anhaltende Leistung. Zur alltäglichen Disziplinierung von Fabrikkindern gehört bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein die Körperstrafe.
 

Widerstand gegen die Ausnutzung

Die körperlichen und psychischen Belastungen sind die eine Seite des Fabriklebens –  auf der anderen Seite leisten die Heranwachsenden einen wichtigen Beitrag zum Einkommen mittelloser Familien. In der Gesellschaft jedoch regt sich Widerstand gegen die Ausbeutung der jungen Arbeitskräfte, die den Schulunterricht nur unregelmässig besuchen oder ihn schlafend verbringen. Auf Druck von bürgerlich-philanthropischen Kreisen wird die Kinderarbeit im Verlaufe des 19. Jahrhundert schrittweise eingeschränkt, bis das eidgenössische Fabrikgesetz von 1877 den Eintritt in die Fabrik generell auf das 14. Altersjahr festsetzt.
 
Wie die Unternehmer und bitterarmen Familien auf dieses Gesetz reagieren, was es mit den sogenannten «Mädchenasylen» in der Ostschweiz auf sich hat und wie sich im Verlaufe der Zeit die Forderung nach einer allgemein anerkannten Kindheits- und Jugendzeit herausbildet, beleuchtet Max Lemmenmeier am Kurzreferat im Historischen Museum Thurgau. Eintritt frei, ohne Anmeldung

In der Blüte der Textilindustrie werden Kinder in der Heimarbeit eingespannt.  Bildcredit: Schweizerisches Sozialarchiv Zürich
In der Blüte der Textilindustrie werden Kinder in der Heimarbeit eingespannt.  Bildcredit: Schweizerisches Sozialarchiv Zürich

Veranstaltungsort

Schloss Frauenfeld
8500 Frauenfeld

Allgemeine Angaben

Tel. +41 58 345 73 80
historisches.museumNULL@tg.ch
https://historisches-museum.tg.ch

Organisation

Historisches Museum Thurgau